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Barrierefreiheits-Overlays: Das müssen Website-Eigentümer*innen wissen

Barrierefreiheits-Overlays stehen stark in der Kritik, größtenteils zu Recht. Es gibt aber durchaus Möglichkeiten, die Web-Zugänglichkeit zu verbessern.

September 12, 2023 by Amy Foxwell

Der Erfolg einer Website hängt wesentlich von der Barrierefreiheit ab. Schließlich gibt es allein in Deutschland gut 10 Mio. Menschen mit einer Beeinträchtigung. Wenn sie alle ausgeschlossen werden, erfüllt die Website nicht wirklich ihren Zweck.

Durch ein barrierefreies Webdesign verbessert sich aber ganz allgemein das Nutzungserlebnis, und das kommt auch der Suchmaschinenoptimierung (SEO) zugute. Außerdem steigt die Zahl der Klagen in Sachen digitale Barrierefreiheit stetig (von 2300 im Jahr 2018 auf über 4000 im Jahr 2022). So sind die Anreize für ein barrierefreies Webdesign heute größer denn je.

Diese Dynamik mit einer Mischung aus Anreizen und Sanktionen führt dazu, dass viele Website-Eigentümer*innen aktuell zum ersten Mal über digitale Barrierefreiheit nachdenken. Nicht alle aber befassen sich so eingehend mit der Thematik, dass sie verstehen, was genau das bedeutet.

Einige suchen ganz einfach nach der schnellsten und kostengünstigsten Lösung: irgendein technisches Tool, das sofort dafür sorgt, dass behindertenbezogene Vorschriften und Barrierefreiheitsstandards eingehalten werden und die Organisation nicht mit Klagen wegen Diskriminierung überzogen wird.   

Solche Barrierefreiheits-Overlays nehmen für sich in Anspruch, alle Probleme mit der digitalen Barrierefreiheit auf einen Schlag zu lösen. Um es ganz deutlich zu sagen: Solche Komplettlösungen gibt es nicht. Wirklich barrierefreies Webdesign erfordert eine ständige Auseinandersetzung mit den Richtlinien zur barrierefreien Gestaltung von Internetangeboten (Web Content Accessibility Guidelines/WCAG), dem weltweit führenden Standard in diesem Bereich. Website-Plug-ins können Teil eines umfassenderen Ansatzes zur Einhaltung der WCAG und für mehr digitale Barrierefreiheit sein. Nachstehend möchten wir Sie ausführlicher über das komplexe und oft kontrovers diskutierte Thema Barrierefreiheits-Overlays informieren.

Was ist ein Barrierefreiheits-Overlay?

Barrierefreiheits-Overlays sind Software-Tools, die eine Website von Zugangsbarrieren befreien. Gängig sind zum Beispiel JavaScript-Plug-ins, die im Webbrowser laufen. Viele dieser Overlays verändern die Anzeige der Inhalte (oder ermöglichen solche Änderungen durch die Nutzer*innen): Schriftgröße, Farbkontraste, Nur-Text-Modus usw.

Auf diese Weise können Nutzer*innen mit Seh- und Entwicklungsbeeinträchtigungen, Leseschwierigkeiten u. Ä. Inhalte besser lesen. Die Entwicklungen gehen inzwischen aber über die bloße Anzeige von Inhalten hinaus. 

Seit Kurzem gibt es Produkte, die versprechen, das Problem der Barrierefreiheit am Quellcode anzupacken. Solche Auto-Repair-Tools scannen den Seitencode und identifizieren Barrieren, die sie dann automatisch zu entfernen versuchen. Als Barrierefreiheits-Overlay werden, je nach Kontext, sowohl Plug-ins zur Modifikation von Inhalten als auch Auto-Repair-Tools bezeichnet. Für beide gilt, dass Nutzer*innen mit Beeinträchtigungen nicht selten auf Schwachstellen stoßen.

Was spricht gegen Barrierefreiheits-Overlays?

Die New York Times berichtete 2022, dass blinde Webuser*innen zum Teil Probleme damit haben, dass die Overlays die Funktion von Bildschirmlesern und Tastaturnavigation stören. Da die Seiten neu formatiert werden, verschwinden Schaltflächen und andere interaktive Bedienelemente für Unterstützungstechnologie.

Auto-Repair-Overlays wiegen Website-Eigentümer*innen außerdem in falscher Sicherheit, wodurch Fehler gar nicht erst entdeckt werden. Ein Beispiel: Bildschirmleser können keine ungelabelten Schaltflächen erkennen. Wenn davon ausgegangen wird, dass die Software jede Schaltfläche labelt, wird häufig auf intensive Tests, bei denen fehlende oder fehlerhafte Objektlabels aufgedeckt würden, verzichtet. 

Genau deshalb haben 2021 Hunderte von Rechtsanwält*innen und Webdesigner*innen einen offenen Brief unterzeichnet, der sich gegen Barrierefreiheits-Overlays ausspricht. In diesem sog. Overlay Fact Sheet werden noch weitere Probleme mit solchen Tools genannt:

1. Im besten Fall überschneiden sich Tools zur Änderung der Anzeige mit vorhandenen Unterstützungstools und sind überflüssig.

Nutzer*innen, die auf Unterstützungstools für Web-Inhalte angewiesen sind, brauchen diese wahrscheinlich für jede Software. Sie verfügen also in der Regel bereits über die erforderlichen Hilfsmittel, wenn sie auf Ihre Website zugreifen. Anderenfalls hätten sie den Browser gar nicht öffnen können.

2. Barrierefreiheits-Overlays können die Einhaltung der WCAG nicht garantieren.

Das Overlay Fact Sheet führt aus, dass Website-Eigentümer*innen mithilfe von Plug-ins die WCAG-Standards einhalten können. Zitiert wird aber auch, was nach den WCAG 2.1 unter Konformität zu verstehen ist:

„Voraussetzung für die Konformität mit den WCAG 2.0 ist die Einhaltung der Erfolgskriterien; das bedeutet, dass keine Inhalte gegen diese Erfolgskriterien verstoßen dürfen.“

Das Overlay Fact Sheet interpretiert diese Aussage dahin gehend, dass sämtliche WCAG-Erfolgskriterien eingehalten werden müssen. Das kann, den Autoren zufolge, kein Produkt alleine leisten. Compliance-Aussagen von Overlay-Anbietern sollte daher „mit großer Skepsis begegnet“ werden.

3. Auto-Repair-Overlays können nicht jedes Barrierefreiheitsproblem lösen.

In einigen Fällen ist ein gut durchdachter Ansatz notwendig. Künstliche Intelligenz kann zwar immer mehr leisten, ist aber noch nicht in der Lage, menschlich zu urteilen.

So müssen Abbildungen beispielsweise durch Alternativtexte (sog. alt text) ergänzt werden, die ihren Zweck beschreiben. Overlays können zwar erkennen, ob Abbildungen solche Texte enthalten, aber nicht selbst eine genaue Beschreibung des Inhalts verfassen. Ob die Beschreibung sinnvoll ist, muss von Menschen beurteilt werden.

Das Gleiche gilt für Zwischenüberschriften: Barrierefreiheits-Overlays können zwar HTML-Probleme wie Fehler bei Zwischenüberschriften beheben, aber keine neuen schreiben und so die Organisation der betreffenden Seite verbessern.

Damit das Erlebnis für Nutzer*innen mit und ohne Beeinträchtigung gleichermaßen gut ist, müssen manche Mängel manuell behoben werden. Wer hier nur auf Overlays setzt, lässt viele Optimierungsmöglichkeiten ungenutzt.

Sollten Website-Eigentümer*innen überhaupt Barrierefreiheits-Overlays nutzen?

Ganz klar: Overlays sind nicht perfekt. Das gilt aber für jede neue Technologie. Für manche Nutzer*innen haben automatisierte Verbesserungen bei der Barrierefreiheit durchaus Vorteile, zum Beispiel, wenn sie im Rahmen eines Gesamtkonzepts eingesetzt werden.

Verzichtet werden sollte auf Tools, die perfekte Ergebnisse versprechen. Wenn eine Technologie aber als Ergänzung zu best practices in Sachen Barrierefreiheit gedacht ist, kann sie sinnvoll sein.

Hier einige Beispiele, wann Barrierefreiheits-Overlays sich lohnen können

1. Provisorische Behebung von Mängeln bis zur vollständigen Überarbeitung des Site-Designs

Der Interessenverband The A11Y Project unterscheidet zwischen temporären  Plug-ins für mehr Barrierefreiheit und dauerhaften Overlays. Technische Tools können The A11Y Project zufolge als Provisorium dienen und bei Barrierefreiheitsmängeln kurzzeitig Abhilfe schaffen, bis das Site-Design angepasst wurde. Das kann hilfreich sein.

Bei dauerhaften Overlays dagegen gehen viele Website-Eigentümer*innen davon aus, das Zugangsproblem ein für allemal gelöst zu haben. „Kein einziges dauerhaftes Plug-in, das diese Probleme angeblich automatisch behebt, kann dieses Versprechen halten“, so The A11Y Project (weitere Infos über The A11Y Project in unserem Beitrag zur Barrierefreiheit im Bildungswesen.)

2. Besserer Zugang für Nutzer*innen ohne Zugriff auf Unterstützungstools

Einer der gravierendsten Nachteile von Overlays sind Beeinträchtigungen von vorhandener Unterstützungstechnologie. Dem ist entgegenzuhalten, dass laut Weltgesundheitsorganisation weltweit 90 % der Menschen, die solche Tools brauchen, sie nicht haben.

Wer Menschen in aller Welt erreichen möchte, kann nicht davon ausgehen, dass alle über einen Bildschirmleser verfügen. Web- oder browserbasierte TTS-Tools (TTS: Text-to-Speech), die auch Online-Texte in synthetische Sprache umwandeln, können diese Lücke füllen.

3. Optimierung von großen Mengen an komplexen oder dynamisch erstellten Inhalten

Wenn für Ihre Website Inhalte dynamisch generiert werden, kann die Barrierefreiheit vermutlich nicht jedes Mal geprüft werden. Cloudbasierte Technologien können dann automatisch für einige Verbesserungen sorgen, die Nutzer*innen mit Beeinträchtigungen helfen.

Bei großen Mengen an dynamisch erstellten Inhalten sind natürlich trotzdem best practices in puncto Barrierefreiheit zu befolgen. Es muss also ein geeignetes semantisches HTML- und WAI-ARIA-Markup verwendet werden (WAI-ARIA: Web Accessibility Initiative – Accessible Rich Internet Applications).

Mithilfe eines Overlays lässt sich aber die Zahl der Barrieren reduzieren und Sie können sich auf die Dinge konzentrieren, die einer Beurteilung durch Menschen bedürfen

Wie lässt sich beurteilen, ob cloudbasierte Barrierefreiheitstools etwas taugen?

Digitale Barrierefreiheit soll für alle Nutzer*innen ein möglichst optimales Erlebnis gewährleisten, also auch dann, wenn Bildschirmleser oder gängige Technologien (z. B. mobile Geräte) für den Webzugang verwendet werden.

Bei der Beurteilung von Barrierefreiheitstools muss daher immer das Erlebnis für echte Nutzer*innen berücksichtigt werden. Dabei helfen u. a. diese Fragen:

  • Schafft das Tool neue Hindernisse für Menschen, die Unterstützungstools verwenden?
  • Ist das Tool fakultativ? Kann es deaktiviert werden, wenn es nicht gebraucht wird?
  • Ist die Barrierefreiheit der Website auch gegeben, wenn das Tool deaktiviert wird?
  • Kann das Tools auch nur über die Tastatur bedient werden?

Achten Sie unbedingt darauf, dass die Barrierefreiheitskonformität des Tools geprüft wurde. Der Standard dafür sind die freiwilligen Produktzugriffsvorlagen (VPATs), Version 2.2, des Information Technology Industry Council (ITI), die auf den WCAG 2.0 basieren. Hier geht es zum Bericht zur Barrierefreiheitskonformität von ReadSpeaker gemäß VPAT 2.2.

Falls Sie eine wirklich barrierefreie Website anbieten möchten, sollten Sie den Inhalt unbedingt auf Einhaltung der WCAG prüfen. Konzentrieren Sie sich dabei auf die Probleme, die am wahrscheinlichsten auftreten (in der Regel WCAG-Anforderungen der Stufe A) und vermeiden Sie, wo immer möglich, Tools für eine automatische Fehlerbehebung.

Webbasierte Tools für ein besseres Nutzungserlebnis können dann immer noch zum Einsatz kommen, aber nur, wenn ihre Verwendung fakultativ ist und sie einen tatsächlichen Mehrwert, vor allem in Form von neuen Funktionen bieten. Bei ReadSpeaker finden Sie ein Komplettpaket an TTS-Lösungen, u. a. browserbasierte Tools zur Förderung der Lese- und Schreibfähigkeit, Möglichkeiten zur Integration in Lernmanagementsysteme und lebensechte Stimmen für AAC-Geräte (AAC: augmented and alternative communication) für unterstützte Kommunikation.

Unsere webbasierten Tools umschiffen die Klippen, die Overlays mit sich bringen, denn der/die Nutzer*in hat jederzeit die volle Kontrolle über alle inhaltlichen Änderungen. Außerdem garantieren wir mithilfe von anerkannten Testservices, dass unsere Produkte für die gesamte Dauer der Partnerschaft den WCAG-Vorgaben entsprechen. Hier geht es zur ILUNION-Zertifizierung für die Doppel-A-WCAG-Konformität von ReadSpeaker.

Sie möchten mehr darüber wissen, wie TTS-Tools von ReadSpeaker auch Ihre Website barriereärmer machen können? Dann nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.

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